Nach akribischer Vorbereitung u. Erkundigungen im Kollegenkreis erklärt sich Stephan bereit, die Botschaft aufzusuchen. Der Zemke-Dirk war seinerzeit immerhin 5x auf der Myanmar-Botschaft, bis der Aufkleber den Reisepass zierte. Na ja, der Aufwand hielt sich für ihn in Grenzen, er hat ja seine Frau hingeschickt. Ein Tel.-Anruf geraume zeit später bringt Ernüchterung, das Amt ist zwar geöffnet, nimmt aber Anträge nur vormittags entgegen (jetzt ist nur Ausgabe, ratet mal, wann der Stephan da war). Neuer Versuch an nächsten Morgen. Der Step geht noch mal hin, diesmal hackt's an einem falschen Formular, sowie nicht anforderungsgerechter Passbilder. Es wird lästig.
Wir beschließen, die geballte diplomatische Kraft zur Botschaft zu senden, nämlich mich! Man glaubt es nicht, der Beamte lobt ausdrücklich die vorbildlich ausgefüllten Formulare, (einschl. der handgeschriebenen Reiseverläufe (natürlich pro Person anzufertigen), ich gebe mich kooperativ u. bekräftige, selbstverständlich alles getan zu haben, um den Sachbearbeiter soweit möglich zu entlasten (der Schleim tropfte nur so von mir herunter). Wie auch immer, 3 Tage später waren die VISA drin. Meine Theorie bestätigte sich diesmal nicht, dass der Aufkleber umso größer ausfällt, je absurder ein Staat ist.
Auffällig ist hier nicht etwa der Rechtsverkehr (um nach der Unabhängigkeit von England diese auch zu demonstrieren), sondern der Umstand dass nahezu alle Autos die Lenksäule auf der rechten Seite haben. Fast alle der Kutschen kommen aus den Nachbarländern u. da herrscht nun mal Linksverkehr. Es sieht so aus, als ob das, was in Thailand nicht mehr zu gebrauchen ist, auf Burmas "Straßen" zum Einsatz kommt.
Der Abend beginnt in der spektakulären "Shwedagon"-Pagode und endet in der Altstadt um die Sula-Pagode. Auf den ersten Blick sieht es ein bisschen aus wie Dresden nach dem Krieg, nur die alten (viktorianischen) Villen u. ehemaligen Prachtbauten stehen hier noch. Gestank, Dreck, Straßenhändler, heruntergewirtschaftete Bauten, alles da, wie woanders auch, z.B. in Hanoi. Aber dann fällt's mir auf, es gibt so gut wie keine öffentliche Stromversorgung. Wer es sich leisten kann, besitzt einen Stromerzeuger. Generatoren, von Zimmer größe bis zum mobilen Gerät, knattern überall u. verstummen erst spät in der Nacht.
Ach ja, Rangun (so hieß es früher mal) ist seit 2005 nicht mehr Hauptstadt. Die paranoide Militärregierung fühlte sich anscheinend hier nicht mehr sicher u. hat eine neue Hauptstadt irgendwo im Urwald ausgerufen. Angeblich beziehen die Herren ihr Weltbild von eigens engagierten Astrologen.
Ein betrunkener, etwas aufdringlicher, Mann wird höflich am Arm aus einem Etablissement geführt. Sein Samariter dreht noch den Zündschlüssel ins Motorrad, startet dieses u. verhilft dem Orientierungslosen noch zum Anfahren in den Verkehrsstrom. Was ist hier schon normal?
Zum Sonnenuntergang legt das Schiff an u. mit der Pferdekutsche rattern wir in die Dunkelheit u. ins beste Hotel am Platz. So richtig dekadent wird's allerdings erst zum Sonnenaufgang, den wir in einem Heißluftballon entgegen schweben, äh "fahren". Leider zwingen die Windverhältnisse den Piloten zu vorzeitiger Landung, aber Champagner u. Gebäck gibt's trotzdem noch auf dem Acker, umringt von Kindern u. Postkartenverkäufern.
Jetzt aber ins "Bagan River View" zum richtigen Frühstück, auch hier werden wir umringt, allerdings von aufmerksamen Kellnern.
Auf ausgeliehenen Bikes starten wir zum "Pagoden-Hopping" durch die Ebene von Bagan. Mit steigenden Tagestemperaturen drängt sich allerdings die frage auf, warum man dieses Programm nicht mit einem Horsecart (z.d. Pferdekutsche) absolviert, die auch nicht mehr kostet. Pünktlich zum Sonnenuntergang haben der Stefan u. ich noch 2 Flaschen gutes "Myanmar-Beer" organisiert, dem Step bleibt nur eine Flasche Mandalay. Auch wenn ich das Zeug nicht probiert habe, hätte er sich wenigsten bedanken können.
Zurück nach Rangun geht's am nächsten Abend wieder mit einer Turboprop. Die Warnhinweise des Deutschen Auswärtigen Amtes hins. der burmesischen Flugzeugsicherheit noch im Kopf, bin ich froh, diesmal nicht direkt neben dem Propeller zu sitzen, obwohl das letztendlich egal wäre. Eine letzte Nacht in Rangun und wir entschweben wieder in die Welt des Überfluss (im Überfluss gibt's in Burma derzeit nur eins, den Mangel.)
© Steffen Gross, 2013