Warnung
Diese Hoehlen sind kein Sporttaucherziel!
Das Eindringen in diese Hoehlen...
-ohne Hoehlentauchausbildung
-ohne Hoehlentaucherfahrung
-ohne Hoehlentauchausruestung
ist lebensgefaehrlich!
....war was die Spaziergänger zu hören bekamen als wir unsere Köpfe nach dem Tauchgang aus dem Wasser streckten. Doch ich bin sicher: niemand hat uns verstanden. Etwas verwunderte Blicke ernteten wir schon als wir mitten im historischen Ortskern von Bourg St. Andeol unseren Tauchgang beendeten und mit all den Flaschen, Kameras, Blitzen und anderem Gerödel zum Auto spazierten.
Aber jetzt der Reihe nach:
Anfang Oktober 2004 packten wir ( Steffen Gross mit Tochter Kathi und Familie Meyrl ) ihre 2 Wohnmobile voll und brachen auf nach Frankreich zum Höhlentauchen in die Ardeche Region. Da es in der Gegend kaum eine Möglichkeit gibt die Flaschen zu füllen muss man Vorsorge treffen. So war der Boden meines Kofferraumes fein säuberlich mit insgesamt 14 Flaschen ausgelegt, allesamt reichlich befüllt – Dank an Bruno für die Extraluft!
Nach gut 1000 km Fahrstrecke erreichten wir St. Martin d ´Ardeche, unser erstes Ziel. Hier beginnt die Panoramastraße durch die atemberaubenden „Schluchten der Ardeche“, der touristische Höhepunkt der Region. Folgt man den Windungen dieser Straße ergeben sich immer wieder grandiose Ausblicke in die tief eingeschnittenen Schluchten der Ardeche. Zahlreiche Schilder weisen zudem hin auf die verschiedenen Schauhöhlen, die in Führungen trockenen Fußes besucht werden können.
Der anfangs recht enge senkrecht abfallende Eingangsbereich weitete sich bald zu einer großen vertikalen Kluft, mit Tiefen um die 30m. Die Sichtweite war leider nicht wie erwartet super, sondern mit ca. 5m eher bescheiden. Dennoch genossen wir den Tauchgang und folgten der manchmal abenteuerlich verlegten Leine immer weiter die beeindruckenden Gänge entlang. Nach ca. 150m erreichten wir ein großes Fenster, das über dem Hauptgang liegt und zum durchtauchen einlädt. Nach weiteren 150m ermahnte uns schließlich das Finimeter zur Umkehr – ein Drittel der Luft war verbraucht! Nach dem Rückweg, den wir noch in vollen Zügen genossen folgte nun der leidige Teil des Tauchgangs: die lange Deko im engen Eingangsschlot. Steffen nutzte die gute halbe Stunde und erkundete, mit einer Seilspule gesichert den gesamten Eingangsbereich. Hier gibt es eine Verzweigung, die zu einer zweiten Auftauchstelle führt und das musste natürlich unbedingt erforscht werden.
Steffen tauchte zuerst ab und folgte einem schrägen Schotterhang bis zur Engstelle am Quellmund. Er zwängte sich durch und wartete hier auf mich, damit wir einen Teil der Ausrüstung durchreichen konnten. Die nächsten 50m folgten wir einem flachen Stollen in ca. 10-15m Tiefe. Der Gang war einen knappen Meter hoch und ca. 2 m breit. Mit Doppelgerät auf dem Rücken und zwei 7-Liter Stage-flaschen an der Seite konnte man gerade noch bequem schwimmen. Die Sicht war fantastisch und der Tauchgang begann viel versprechend. Am Ende des Stollens tat sich ein Loch von 2-3m Durchmesser im Boden auf und der weitere Höhlenverlauf ging nur noch steil abwärts. Hier legten wir die Kameras und Blitze ab um uns allein dem Abstieg widmen zu können.
Voller Begeisterung ließen wir uns langsam fallen und bestaunten ungläubig die fantastischen Windungen und Strukturen der Höhle im Schein unserer Lampen. Das Wasser war so klar, man glaubte zu schweben, die Sicht nur begrenzt durch Richtungsänderungen im Höhlenverlauf. Ich folgte Steffen in einem Abstand von einigen Metern um die grandiose Aussicht zu genießen, die entsteht wenn 2 Taucher hintereinander jeweils den Höhlenverlauf vor sich mit ihrer Lampe ausleuchten. Spektakulärer kann ich mir einen Tauchgang nicht vorstellen. Diesmal zwang uns der Tiefenmesser zur Umkehr, obwohl wir noch reichlich Luft hatten. An der 50m Marke erreichten wir einem kleinen Absatz, nur einen Flossen-schlag weiter und erneut fiel der Boden unter uns ins Unermessliche. Wir verharrten noch kurz über dem Abgrund und ließen nur noch unsere Blicke den Lichtkegeln im transparenten Wasser weiter in die Tiefe folgen. Nach kurzer Verständigung und überschwänglichen Gesten der Begeisterung begannen wir langsam mit dem Aufstieg. Am oberen Ende des Schachtes angekommen griffen wir zu unseren Kameras und versuchten den soeben erlebten Sinnesrausch auf Film zu dokumentieren. Dank der großen Luftvorräte hatten wir jetzt ausgiebig Zeit uns gegenseitig im oberen Bereich des Schachtes zu fotografieren. Erst als beide Filme belichtet waren traten wir den Rückweg an. Während des langen Dekostopps am Ende des 100minütigen Tauchganges konnten wir es schließlich kaum erwarten uns unsere Begeisterung an der Wasseroberfläche zuzurufen: „Wahnsinn, spektakulär, unglaublich!!!“
An 2 weiteren Tauchgängen, die Steffen solo durchführte gelang es ihm noch die Höhle bis in eine Tiefe von 80m zu betauchen. Hier wird der vertikale Gangverlauf unterbrochen durch einen ca. 30m langen horizontalen Bereich, nur um anschließend wieder steil nach unten abzufallen. Ein weiteres Vordringen erschien zu gefährlich und wäre nur mit erheblichem technischen Aufwand möglich.
Aus Höhlenkarten wissen wir, dass die Leine bis in eine Tiefe von 178m reicht. Der Franzose Jérôme Meynié tauchte mit Kreislaufgerät bis zu dieser Marke, 560m vom Eingang entfernt.
Wer allerdings einen Cocktailempfang bei dunkler Abendgarderobe erwartete, wäre enttäuscht worden. Zeltaufbauten, Fotogalerien, modernstes Höhlentauchequipment zum Anfassen, abendliche Open-Air-Diavortraege sowie interessante Gespräche bildeten den Mittelpunkt. Bekannte Namen tummelten sich unter den Gästen, u.a. Rick Stanton, Henry Cosquer, Xavier Meniscus, Dr. Jérôme Meynié u. viele andere. alles eingebettet zwischen die wohl 2 bekanntesten Quellen der Ardeche. Was für ein Ambiente!
Tauchen waren wir natürlich auch.
Obige Aufnahmen des Goul de Pont entstanden im Eingangsbereich, sowie in der Passage zum Vertikalschacht (max. 100m vom Eingang). Maxime taucht hier einen "Trilobite"-Semiclosed-Rebreather (halb-geschlossenes Kreislaufgerät).
Diesmal sollte es anders kommen. Es ist Mai 2005 und die Tannerie läuft an ihrer künstlichen Einfassung, mit mässiger Schuettung, über. Ideale Bedingungen für einen 2.ten Anlauf.
Nach einem Vorbereitungstauchgang mit einer Distanz zum Eingang von 500m ist ein Solo-Tauchgang zum großen Vertikalschacht geplant. Die einfache Wegstrecke beträgt immerhin ca. 750m, somit sind 1500m zurückzulegen. Das macht eine Höhle vergleichbar mit einem Berg. Geschafft hat man es immer erst, wenn man auch wieder am Ausgangspunkt zurück ist.
Ich erhöhe den Atemluftvorrat des Vorbereitungstauchgangs (Doppel-12 ltr) um eine 7 ltr-Stage. Günstigerweise verläuft der Siphon bis zum Zielpunkt meist in Tiefen bis max. 12m. Claude Ricoh, der hilfsbereite Präsident vom SUBAQUATIQUE CLUB ORANGEOIS in Orange, hat die Flaschen noch mit ein bisschen "Extra-Druck" versehen. Somit ist mein Luftvorrat nach der 1/4-Regel (1/4-Hinweg, 1/4-Rueckweg, 2/4-Reserve) mehr als ausreichend.
Merkliche Strömung ist nicht vorhanden. Der Siphon zieht sich scheinbar in unendliche Länge. In ca. 300 m passiere ich linkerhand einen Abzweig der in einem Loop 100m weiter wieder in den Hauptgang mündet . Endlich, nach 45-minütiger Tauchzeit öffnet sich vor mir ein beeindruckender Schacht, ich lasse mich noch kurz über. den Rand gleiten und trete dann den Heimweg an. Nach 1/3 des Rückweges fällt die Hauptlampe aus, ist aber nicht wirklich beunruhigend, wenn man noch auf 4 weitere Lichtquellen zurückgreifen kann. Auf der 2.ten Hälfte des Rückweges lässt die Spannung (nicht aber die Konzentration) nach und ich lasse ich mir dann Zeit zum Genießen. Die Goul de Tannerie ist, entgegen dem ersten Eindruck nicht nur ein langer "Schlauch". Links und rechts vom Hauptprofil zweigen immer wieder mehr oder weniger große Horizontal- und Vertikalgänge ab. Einer der Schächte fällt senkrecht bis auf eine Tiefe von 18m ab und teilt sich hier in 3 weitere, begrenzt, tauchbare Gänge auf. Viele Nebengänge sind mit Permanentleinen versehen. Eine durchgängige Verbindung zur Hauptleine, besteht jedoch nicht, so dass hier jeweils eine "Gap"- oder "Jump"-line (kurze Verbindungsleine), durch den Taucher angebracht werden muss. Diese ist nach Rückkehr zur Hauptleine aus Sicherheitsgründen selbstverständlich wieder zu entfernen. Die Lücke bzw. das "Gap" soll verhindern, dass ein Taucher versehentlich von der Hauptleine einer Nebenleine folgt (bei durchgängiger Verbindung würde eine T-förmige Abzweigung entstehen).
Nach über 2-stuendigem Tauchgang schimmert mir das Blau des Eingangsportals entgegen. Sonnenschein ist eben auch schön.
Obige Fotoaufnahmen des Goul de la Tannerie entstanden bei einem späteren Tauchgang im Eingangsbereich und der "verwinkelten" Passage nach der Auftauchstelle, ca. 120m vom Eingang entfernt. Eine beeindruckende Demonstration für die "Sidemount"-Technik, bei der die Druckluftflaschen nicht auf dem Rücken (Backmount), sondern eben an der Seite getragen werden.
An dieser Stelle vielen Dank an Margrit Hohl aus Zürich, die sich für das "Shooting" zur Verfügung stellte.
Die direkte Zufahrt zur Höhle ist durch eine Kette versperrt. Ein 10...15-minuetiger Fußmarsch in malerischer Landschaft, u.a. durch einen kleinen Fluss, verschafft uns eine gewisse "Aufwärmung". Das Portal der Quelle liegt am Fuße einer Felswand. Die ersten 150m schlurft man in mehr oder weniger gebückter Haltung durch einen Trockengang und steht dann vor dem kleinen Quellteich (zumindest bei den Witterungsverhältnissen im Mai 2005). Das Anlegen der Tauchausrüstung bereitet im geräumigen Einstiegsbereich keine Probleme. Wir tauchen beide "nass", da es sich ja nur um einen kurzen Erkundungstauchgang handelt. Maxime, der die Höhle schon aus früheren Befahrungen kennt, taucht voraus. Die Sichtweite ist wirklich beeindruckend und Sedimentablagerungen sind im Hauptgang auch nicht vorhanden. Nach wenigen Metren trennen sich unsere Wege. Maxime erkundet einen kleinen, teils parallel verlaufenden, Seitengang. Ich folge dem Hauptprofil in einer Schrägen von ca. 45° auf ca. 47m Tiefe. Hier steigt der Gang nach einer scharfen Rechtsbiegung nochmals an, bevor er abermals auf ca. 100m Tiefe abfällt (die tiefste Stelle des Systems). Nach kurzem Verweilen und im Hinblick auf meinen begrenzten Luftvorrat drehe ich um (das nächste Mal doch lieber wieder mit Trocki...). Im 20m-Bereich treffe ich wieder auf Maxime, gemeinsam tauchen wir aus. Hier war ich sicher zum letzten Mal.!
Vielen Dank an Maxime de Gianpietro, der mir (auch hier) seine Erfahrung und seine Zeit zur Verfügung stellte.
Im Januar 2005 drang der Franzose Xavier Meniscus in der Notre Dame des Anges auf einer Strecke von fast 1000m in den 3.ten Siphon vor. Fortsetzung nicht ausgeschlossen.
© Steffen Gross, 2013