Warnung
Diese Hoehlen sind kein Sporttaucherziel!
Das Eindringen in diese Hoehlen...
-ohne Hoehlentauchausbildung
-ohne Hoehlentaucherfahrung
-ohne Hoehlentauchausruestung
ist lebensgefaehrlich!
Verkarstungsfaehiges Gestein (u.a. Gips, Kalk und Dolomit) ist wasserlöslich. Klüfte und Fugen im Gestein ermöglichen das Eindringen von Wasser. Kluft-spalten sind i.d.R. hoch und schmal, Schichtfugen eher flach und breit. Beim Zusammentreffen von Klüfte und Fugen vergroessert sich die Höhle an dieser Stelle. Das versickernde Wasser nimmt CO2 auf, damit erst wird der Kalk löslich, er korrodiert.
Der Verkarstungsvorgang hier im Dachsteinmassiv beinhaltet somit auch eine (zumindest) teilweise unterirdische Entwässerung. Mit zunehmender Verkarstung über große Zeiträume erweitern sich die Klüfte zu Schachthoehlen, das Wasser tritt als Quelle wieder aus, so auch im Kessel. Die meiste Zeit des Jahres ruht der Quellteich, lediglich nach starken Regenfällen und während der Schneeschmelze "kocht der Kessel über" und riesige Wassermassen ergießen sich aus dem Quellmund bis in den Hallstaetter See. Bei extremer Schuettung drückt das Wasser sogar aus dem "Alten Kessel", einem vertikalen Schacht, der im zweiten Siphon mündet. Der Höhenunterschied zum vorderen Wasseraustritt beträgt immerhinca. 35m. Wir konnten ein vergleichbares Naturschauspiel letztes Jahr bei der benachbarten Hirschbrunnquelle beobachten. Die Kesselhöhle wird aber auch durch Versturz (Einsturz des Höhlenraums) und Erosion (Gesteinsabtragung) verändert.
Stille Wasser sind bekanntlich tief, so auch der Kessel. Der Eingangssiphon der Höhle am Hallstaetter See ist dem einen oder anderen "Gelegenheits"-Höhlentaucher bekannt. Nach einer 4-minuetigen Tauchstrecke in einer Maximaltiefe von 6m ist die Auftauchstelle erreicht. Ein schmaler Gang führt von hier weiter in den Berg hinein. Zu eng erscheint diese Kluft-spalte, um hier mit Hoehlentauchausruestung weiter vorzudringen. Lediglich ein straff gespanntes Drahtseil, gesichert mit Bohrhaken, ist ein Indiz für das "Unmögliche".
Den vorderen Höhlenbereich haben wir in den letzten Jahren schon oft betaucht. Auch in den hinteren Vertikalschacht haben wir uns schon mal mit umständlicher Materiallogistik und Nassanzügen gequält. Wir erreichten eine maximale Tauchtiefe von -38m in der sog. "Gerhard -Zauner"-Halle. Ausgekühlt kehrten wir damals zur Auftauchstelle zurück und erreichten nach 3,5 h wieder das Tageslicht (3 h gingen allein für den Ausruestungtransport in der 15m langen Kluft spalte drauf). Sehr zum Verdruss unserer Begleitmannschaft und der mittlerweile anwesenden Gendarmerie.
An einem kalten, verschneiten, Novembersonntag wollen Happo und ich den Pionieren folgen und dem Kessel sprichwörtlich auf den Grund gehen.
Während der Vorbereitungen macht eine 1.te Atemreglerstufe durch ein Zischen auf sich aufmerksam. Der Automat wird einer Vor-Ort-Reparatur unterzogen und schon bald klettern wir das Höhlenportal zur Wasseroberfläche hinunter. Ein letzter Ausrüstungscheck und das Tageslicht verschwindet hinter der Biegung der Kesselquelle.
Der Eingangssiphon ist schnell durchquert und wir tauchen auf. Noch an der Wasseroberfläche befreien wir uns von den Doppeltauchgeräten und sichern diese an einem Seil. Danach klettern wir in die knapp 15m lange Spalte und packen die wasserdicht verpackten LED-Stirnlampen aus, um die UW-Scheinwerfer für die folgenden Tauchgänge zu schonen. Diesmal sind wir besser auf den Ausrüstungstransport durch die Spalte vorbereitet. Alle nicht benötigten Gegenstände verschwinden in einem Höhlenschleifsack. Die Tauchgeräte hängen wir mithilfe von Karabinerkombinationen (sog. Express-schlingen) in die "Materialseilbahn" ein, um sie auf die andere Gangseite zu ziehen. Viermal durchqueren wir, mittlerweile schwitzend, die Spalte in den Trockentauchanzügen, um die Ausrüstung zum nächsten Siphon zu transportieren. Schnell ist das 6°-Celsius kalte Wasser "vergessen". Die Schinderei endet erst nach dem Anlegen der Tauchausrüstung.
Der Einstiegsbereich in den Siphon ist relativ komfortabel, so dass zumindest ein Taucher zur Vorbereitung eine Art sitzende Haltung einnehmen kann. Nur noch die Ventile aufdrehen und ...dann bläst Happos Automat wieder ab. Nach kurzer Fassungslosigkeit gehen wir in Gedanken alle denkbaren Szenarien durch, eine Reparatur ist hier ausgeschlossen. Wir entscheiden schließlich, aufgrund unserer mitgeführten Backup-Systeme, den Tauchgang, mit erhöhter Aufmerksamkeit hinsichtlich der Leckage, durchzuführen.
Der hintere Teil des Kessels unterscheidet sich in zwei Punkten wesentlich gegenüber dem Eingangsiphon: Potentielle Tauchtiefe und Sedimentablagerungen. Die gesamte Felsstruktur ist nahezu großflächig von Sediment bedeckt.
Immer wieder schaue ich beim weiteren Vorstoß nach hinten, um Gewissheit über die Wassereintrübung zu erhalten. Leider befindet sich auch die Permanentleine in einem schlechten Zustand, da sie stellenweise ziemlich "schlapp" im Wasser hängt. Vermutlich hat sie sich an einigen Stellen durch Wasserbewegung aus ihren Fixpunkten gelöst.
Wir erreichen den Vertikalschacht, die Sichtweite ist hier ausgezeichnet und der Abstieg beginnt. Die Höhle verändert. ihre Gestalt auf dramatische Weise. Der Schacht mutiert zu einer Halle, deren Durchmesser nach unten immer groesser wird. Die scheinbare "Geborgenheit" im vormalig engen Höhlengang weicht einer Ausgesetztheit, die durch die jetzt dunkle Gesteinsfärbung verstärkt wird. Wir verlieren uns im Raum. Bei -53 m Tiefe ist der Grund der Kesselhöhle, im Scheinwerferlicht, ca. 10m unter uns, zu erahnen. Ein begrenzter Luftvorrat und die Vernunft lassen uns nach kurzer Verweildauer den Aufstieg einleiten.
Das Glücksgefühl durch das eben "Erreichte " verflüchtigt sich auf ca. 20m Tiefe. Die Sicht nimmt rapide ab, mein Pulsschlag ebenso schnell zu. Unsere Ausatemluftblasen haben an der Hallendecke in der vertikalen Schachtverlängerung zum "Alten Kessel" Ablagerungen gelöst und einen Schwebeteilchensturm entfacht. Selbst bei vorsichtiger Fortbewegung ist das unvermeidbar. Einhergehend mit der schlappen Führungsleine ergibt das einen gefährlichen Mix. In einer "Siltout"-Situation (Nullsicht) wäre es jetzt sehr schwierig, der schlappen Leine durch vorhandene Engstellen, zu folgen. Die Lage entspannt sich jedoch wieder bei Erreichen des "schützenden" Quergangs.
Nach ca. 3 h tauchen wir, mit entspannter Mine, wieder im Quellteich auf. Dem Kessel auf den Grund gegangen sind Happo und ich diesmal noch nicht ganz, aber wir kommen wieder ...bald!
Nach knapp 2-stuendigem Materialtransport durch den Eingangssiphon und die Kluft-spalte tauchen wir im 2.ten Siphon ab. Happo muss den Tauchgang leider aufgrund technischer Probleme nach wenigen Minuten abbrechen. Wir einigen uns, dass ich den Abstieg alleine fortsetze. Im Quergang noch auf 6m Tiefe die O2-Stage deponiert, dann geht es zügig weiter. Nach nur 12 min. Tauchzeit ist der Boden des Kessels in -62m erreicht. Ein großräumiger Gang führt von hier horizontal weiter in den Berg. Nach wenigen Metern kehre ich aber um und leite den Aufstieg ein.
Nach insgesamt 4,5h Kesselbefahrung erreichen Happo und ich wieder den Eingang des Quelltopf, auch hier ist es mittlerweile dunkel geworden.
Zusatzbemerkung:
Die Permanentlink im 2.ten Siphon ist mittlerweile in sehr schlechtem
Zustand und somit erneuerungsbedürftig.
Sie besteht aus einer Aneinanderreihung von Material unterschiedlicher Dicke und Güte.
Die Enden an den "Verbindungsknoten" hängen teilweise mehrere Meter im freien Wasser.
Insbesondere im oberen Schachtbereich ist die Leine stark durchhängend, auf ca. -30m verläuft sie zwischen der Wand und einem Versturzblock.
Vielleicht schließt sich ja demnächst jemand einem "Revisionstauchgang" an?
Im Gegensatz zum Kessel reagiert der Hirschbrunn wesentlich sensibler auf Regenfälle und Schneeschmelze. Ein Überlauf bedingt somit nicht generell auch ein "Anspringen" des Kessel. Im September 2003 haben wir den Hirschbrunn als "Tosendes Inferno" erlebt. Stundenlang drückten gewaltige Wassermassen aus der engen Spalte und verwandelten den, oft trocken liegenden, Ablauf zum Hallstaetter See in einen reißenden Fluss. Auch an ruhigen Tagen sind immer Wasserrinnsale unterhalb des Portals zu sehen. Somit ist eine ständige Entwässerung. in den nahegelegen See vorhanden, die sich auch unter Wasser als, normalerweise geringe, Strömung bemerkbar macht.
Vor Jahren war ich schon mal auf einer kurzen Erkundung im engen Horizontalgang nach dem Eingangsschacht. Letztes Jahr wollten Happo und ich zusammen absteigen. Leider konnte ich zu diesem Zeitpunkt den engen Eingangsversturz nicht passieren und habe den Tauchgang vor seinem Beginn abbrechen müssen. Die spöttischen Bemerkungen unsere Begleitmannschaft (Rolf u. Hermann) verdienen an dieser Stelle keinen weiteren Kommentar.
Mitte Juli hat der Wasserspiegel ein rel. hohes Niveau, das umständliche Abklettern in den Eingangsversturz würde entfallen und so beschließen wir, nach einem Kessel-Tauchgang einen kurzen Vorstoß in den Hirschbrunn zu wagen. Wenige Stunden später, stehen wir oberhalb des Portals und ich traue meinen Augen nicht. Das Wasser ist weg, na ja... nicht ganz. Der Wasserspiegel ist auf den zweiten Blick immerhin noch so hoch, dass wir problemlos einsteigen können. Vorher müssen. wir aber über loses Geröll in den Quellmund absteigen und aufpassen, keine Steinlawine loszutreten. Die Tauchgeräte bestehen aus Doppel-7 bzw. Doppel-8 "Backmount" (wie wir später sehen werden, sind das nicht die optimalen Mittel der Wahl).
Der Eingangsversturz, bestehend aus 3 ineinander verkeilten Felsblöcken, ist auch ein psychologisches Problem. Die Blöcke bilden einen regelrechten Deckel auf dem Schacht. Ihr Langzeitverhalten ist alles andere als statisch. Immerhin sind sie nach starken Regenfällen und der Schneeschmelze einer enormen, Wasserfließgeschwindigkeit und damit einem hohen Stau-druck ausgesetzt (siehe Foto). Zusätzlich befindet sich ein weiterer verblockter Fels im Eingangsschacht unter der Wasseroberfläche Bei einem (unwahrscheinlichen) Zusammenbruch des Versturzes wäre der Ein- (bzw. Ausgang) verschüttet.
In 8m Tiefe erreichen wir den Schachtboden und beeilen uns, in den Horizontalgang zu kommen, um aus der Fall-Linie ev. nachkommenden Gesteinsbrocken zu kommen. Ein fest verlegter und grosszuegig dimensionierter Wasserentnahmeschlauch dient uns bis zum 2.ten Schacht als Permanentlink Die Sicht ist nicht gerade gut, der Gang stellenweise nur ca. 0,6m hoch, aber sehr breit. So bewegen wir uns eher kriechend, auf dem Bauch, denn frei schwimmend vor. Das Gangprofil ist sicher in Sidemount-Technik leichter zu befahren. Happo erreicht vor mir den 2.ten Vertikalschacht und arbeitet sich in "Zaepfchentaktik" nach unten bis auf eine Tiefe von 20m vor. Ich stoppe in 16m und denke ständig an den Eingangsversturz und seine Statik. Eine halbe Stunde später "schälen " sich zwei Gestalten mit geschundener Ausrüstung aus den Eingeweiden der Riesenkarstquelle.
Vielen Dank an dieser Stelle an Rolf Schollmeyer, der wieder mal als "Sherpa" herhalten musste.
Die Idee und gleichzeitig Herausforderung ist es, unter diesen Umständen brauchbare Unterwasserfotos zu erstellen. Eine Woche später: Der Wasserspiegel ist mittlerweile leider um ca. 3m gefallen. Happo betrachtet sorgenvoll seine Nikonos und die mitgeführten Blitzgeräte. Ich betrachte (mal wieder) sorgenvoll die Felsblöcke auf dem Eingang, sie lassen sich sogar bewegen, zugegebenermaßen muss man sich dafür aber schon sehr anstrengen. Nach 1h Geröllentfernung entscheiden wir uns, in der aeussersten Ecke der Eingangsspalte, neben dem Versturz, einzusteigen. Eher eine psychologische Maßnahme als wirklich sinnvoll.
Dieser Foto-Tauchgang ist eine interessante Erfahrung, da ich die gesamte Strecke bis zum 2.ten Vertikalschacht, rueckwaerts zurücklege, um als attraktives Model zu "posen". In 23m setze ich auf dem Schachtboden auf, von hier setzt er sich (erst mal) wieder als Horizontalgang fort.
© Steffen Gross, 2013